Kirche und Schloß zu Nitzschka

Blicken wir von der einstigen Muldenfurt bei Trebsen, über welche die Salzstraße von Halle nach Böhmen ging, in Richtung Norden, sehen wir wenige Kilometer flußabwärts die Kirche von Nitzschka. Einst stand dort auf der Felsenzacke eine Bei- und Meßkapelle. Die reisenden Kaufleute konnten hier den Heiligen Nikolaus, den Schutzheiligen der Reisenden und Kaufleute, um einen guten Übergang mit den Salzsäcken durch den Fluß bitten.
Offenbar waren die Spenden für die Kapelle so reichlich, daß ein eigener Meßpriester angestellt werden konnte. Und Nikolaus gab wohl auch dem Slawendörfchen am Bergfuß unten am Strom den Namen. Nebenbei versorgte der Meßpriester „Unternitzschka" mit Taufen, Seelsorge und Sterbesakramenten. Später siedelte sich südlich der Kapelle, die ja schon die Höhe besetzt hatte, am Berghang ein weiteres Rittergut an – Obernitzschka. Nördlich neben der Kapelle entstand der Friedhof. Im Mittelalter gehörte zu Nitzschka auch eine Filialkirche im Dort Söllnitz, das sich nördlich von Oelschütz befand. Dieses Dorf wurde offenbar 1430 von den Hussiten zerstört und liegt seitdem wüst. Direkt am Muldentalradweg östlich der Mulde zwischen Dehnitz und Oelschütz (dort auf einer Tafel als Bodendenkmal „Wüste Kirche" Söll-nitz bezeichnet) künden heute noch bescheidene Reste der Grundmauern vom Standort des einstigen Söllnitzer Gotteshauses. Was den Hussiten nicht gelungen war, die Reformation der Kirche, das gelang dann doch mit Martin Luther. Mehrtach ist Martin Luther durch Nitzschka gewandert. Im Jahr 1523 flohen zwei Töchter des damaligen Lehn- und Gerichtsherren von Obernitzschka sowie Else von Canitz aus Unternitzschka gemeinsam mit Katharina von Bora aus dem Kloster Nimbschen. Nitzschka war eine Zwischenstation der jungen Frauen auf dem Weg nach Torgau. Die Reformation beendete den Kult für die Heiligen. Pfarrstellen waren jetzt nur noch mit Gemeindearbeit zu begründen, und die Priestertraten in den Stand der Ehe. Eine Pfarrstelle mußte nun eine ganze Familie ernähren können. So wurden die Pfarrstellen Nitzschka und Neichen vereinigt. Das neue Pfarramt hatte nur einen Pfarrer, aber zwei Patrone.
Inzwischen trug die einstige Kapelle auch einen Turm über dem Altar, und für die Gemeinde wurde gen Westen ein Kirchenschiffangebaut. Ein Brand legte dann 1704 einen Teil des Dorfes, das Rittergut und auch teilweise die Kirche in Schutt und Asche. Darauf entstand 1708 eine neue, einheitliche Schloßanlage. Das über den Abgrund vorgeschobene Schloß wirkte kühn und imposant und bot einen erhabenen Blick über den weiten Muldenbogen. Der linke Schloßflügel war mit der Kirche verschmolzen, der rechte Flügel ging in
die mehrstöckige Stallanlage mit ihrer raffinierten Architektur über. So entstand ein stolzer herrschaftlicher Innenhof. Weniger erbaulich scheint uns das Schicksal des Bauherren. Seine Frau starb früh, beide Söhne starben mit 18 bzw. 21 Jahren an Infektionskrankheiten bei der Armee. So wurde das Gut verkauft.
Ein späterer Gutsherr von Carlowitz ließ sich in der Kirche den noch vorhandenen Patronatsstuhl einrichten. Über ihm steht neben dem Wappen der Wappenspruch der Familie in Latein: „Dem Tüchtigen ist kein Weg unmöglich".
Doch der weitere Weg des Anwesens war für Menschen dennoch unvorstellbar. Nachdem das Schloß 1945 den Beschuß an der Demarkationslinie fast unbeschadet überstanden hatte, wurde es doch bis zum Kellergewölbe abgerissen. Die Kirche blieb erst einmal übrig, aber auch in immer bedauerlicherem Zustand. Erst 1987 konnten die Nitzschkaer in letzter Minute ihren Kirchturm retten. Jetzt - Ironie der Geschichte -wurde der barocke Turm vornehmer gedeckt als jemals zuvor: mit Kupfer. Nach 20 Jahren findet die Renovation und Modernisierung mit Gemeinderäumen ihren Abschluß. In leuchtend gelben, barocken Farben ist die Kirche im Muldental weit zu sehen und bietet weiterhin Heimat, Andacht und Ermutigung.
Während andernorts Schlösser, die Krieg und DDR viel besser überstanden hatten, jetzt zu Ruinen geworden sind, fand die Schloßanlage Nitzschka in Annelies und Eberhardt Friedrich neue Freunde und Verantwortliche. In unsagbarem Einsatz mit einem Verein und der Familie konnten sie erstaunlich vieles von dem Zauber des Anwesens wieder gewinnen. Dann zerstörte ein Feuer am 9. November 2007 die 300jährige beeindruckende Dachkonstruktion der barocken Wirtschaftsgebäude. Aber es zeigte sich, daß weder Hochwasser noch Feuer den Elan brechen konnten. So bleibt Nitzschka ein lebendiges Zeitdokument des Lebens zwischen Katastrophe und Begeisterung.
 
 

Blick auf das Nitzschkaer Gotteshaus aus Richtung Trebsen.
Die Kirche zu Nitzschka, im Vordergrund Reste der Schloßanlage.

Text: Martin Carlitz Fotos: Robert Schmidt